Rutentest Meerforellenruten, preiswert gegen Mittel- und Spitzenklasse

Im Rutenvergleich: Lars Hansen Seatrout, Daiwa Seahunter x Seatrout, Northtackle Custom Rod Mefospin

Bevor ich zum eigentlichen Test & Rutenvergleich von Meerforellenruten komme, möchte ich noch etwas weiter ausholen zu den vielen Produkten auf dem Markt, aber auch zu den Vorstellungen mancher Angler dazu: Es ist wirklich mehr als erstaunlich, welche Vorstellungen Hersteller von Angelgeräten, aber auch so mancher Angelkollege an der Küste von einer optimal zum Meerforellenangeln geeigneten Rute haben?

Erstaunlich deshalb, weil die Auswahl an Blanks, die zu diesem Zweck getroffen wird, eine beachtliche Bandbreite aufweist. Auf die „Flachmänner“ unter den Meerforellenruten auf dem Markt möchte ich gar nicht eingehen, dazu fehlt mir einfach die Zeit und auch die Lust.

Nach meinen eigenen Beobachtungen fischen etwa 25% der von mir an der Küste beobachteten Angelkollegen mit einer eigentlich zu weichen Rute. Der Anteil der Angler, die eine eigentlich zu harte Rute fischen, ist aber noch deutlich größer, er liegt bei ca. 60%. Das hört man, wenn man in der Nähe eines anderen Anglers steht, schon am Wurfgeräusch. Das typische, aggressive, helle Zischen, das viele Ruten schon bei moderater Beschleunigung beim Auswurf erzeugen, signalisiert eine eindeutig zu harte Rute.

Es gibt auch Trends, denen manche Angler folgen, Schickimicki am Wasser nenne ich das, wenn ein paar Gramm Gewicht bei der Wahl der Rute oder Rolle ein gültiges Kriterium sein sollen, das dann nicht selten noch ein paar hundert Euro des Budgets völlig unsinnig verschlingt.

Weder Fisch noch Fleisch

Erstaunlich ist auch, dass manche Küstenangler, obwohl sie häufig an die Küste kommen, Kompromisse bei der Rute eingehen. Dies liegt in der Regel daran, dass der Anteil des Küstenangelns bei diesen Anglerkollegen geringer ist als der Anteil, den man offensichtlich an Flüssen und Auen verbringt. Genau vor diesem Hintergrund werden dann allgemeine Raubfisch-Tackle auf Meerforelle eingesetzt, die eigentlich für das Gummifischen auf Zander & Co. gedacht sind. Ich halte das für einen völlig falschen Ansatz, wenn man in den nächsten Jahren gut ausgerüstet, also durchaus auch öfter, auf Meerforelle an der Küste unterwegs sein will. Angesichts der moderaten Preise für Zielfischruten halte ich von solchen Kompromissen nichts. Wenn ich auf Zander oder Hecht gehe, nehme ich auch eine Rute, die genau dafür geeignet ist und die dafür gewünschten Eigenschaften hat.

Warum sollte ich also beim Meerforellenangeln eine Rute nehmen, die nur bedingt dafür geeignet ist, bedingt deshalb, weil sie nicht dafür gedacht und konstruiert wurde. Worauf es bei der Auswahl einer Meerforellenrute (aus meiner Sicht) ankommt, beschreibt der folgende Artikel.

Anforderungen an eine Rute für die Meerforelle

Eine Meerforellenrute muss vor allem eines können: Kraftvoll genug sein, um auch schwere Köder (beim Meerforellenangeln sind das Ködergewichte von ca. 15 bis 35g) möglichst weit werfen zu können, aber auch sensibel genug, um die Kopfschläge, Sprünge und Fluchten auch größerer Fische bis zu 10 kg noch sanft genug abfedern zu können.

Das klingt zunächst nach einer relativ leichten Aufgabe und trifft auch auf viele andere Raubfischarten zu, und alle Hersteller sind sich einig, dass der optimale Blank dafür eine semiparabolische Aktion haben sollte. Nur ist das ein relativ dehnbarer Begriff.

Die Art der Konstruktion

Meerforellenruten sind in der Regel zwischen 3,00 und 3,20 m lang, haben eine Grifflänge von ca. 60 cm und einen semiparabolisch wirkenden Blank, wobei die Spitze noch relativ sensibel sein sollte. Wegen der notwendigen Hebelwirkung beim Wurf haben sich die im Vergleich zu anderen Zielfischruten auf den ersten Blick ungewöhnlich langen Griffe bewährt und sind heute Standard. Soweit die Theorie, nun zur Praxis.

Test von Meerforellenruten: Theorie und Praxis

So einfach das auch klingt, wirklich objektiv kann man nur das beurteilen, was man selbst in der Praxis getestet hat, und das gilt natürlich auch für Meerforellenruten. Ich kann nur jedem Küstenangler dringend empfehlen, vor einer Kaufentscheidung eine Rute in die Hand zu nehmen, und zwar möglichst direkt am Spülsaum. Man wird sicher die Gelegenheit haben, z.B. die Rute eines Freundes für ein paar Minuten in die Hand zu nehmen. Nur so lassen sich zum Teil feine Unterschiede in der Aktion feststellen ….und nehmt dazu bitte die Rolle, die Schnur und auch die Köder, die ihr sonst auf eurer eigenen Rute fischt, nur so ist ein objektiver Vergleich überhaupt möglich.

Mir standen die oben genannten Ruten für den Rutentest zur Verfügung und ich kann jetzt schon sagen, dass auch die Testkandidaten in ihren Eigenschaften so unterschiedlich sind, wie man es sich differenzierter kaum vorstellen kann.

Daiwa Seahunter X Seatrout (unteres Preissegment)

Die Daiwa ist eine sehr preiswerte Rute, die im Handel mittlerweile für kaum mehr als 50-60 Euro zu haben ist. Sie ist 3,10 m lang und hat ein Wurfgewicht von 10-40 g. Die Rute ist trotz des geringen Preises sehr gut verarbeitet, das silberne Blank ist wohl Geschmackssache, aber um die Optik geht es hier ja nicht. Mein erster Eindruck war zu weich, aber das täuscht. Die Rute hat eine sehr brauchbare Aktion, lädt sich beim Wurf überraschend gut auf und hat eine sehr sensible Spitze, die beim Drill sofort auf jede Veränderung des Schnurdrucks reagiert, ohne dabei zu hart oder gar schlaff zu wirken. Wenn man die feinen Unterschiede zu anderen Ruten nicht kennt, wird man mit der Daiwa über Jahre sehr zufrieden sein und viele Fische sicher landen. Die Daiwa ist mein Tipp für Einsteiger, die nicht gleich viel Geld investieren wollen und keine vielleicht etwas übertriebenen Ansprüche an ihr Küstengerät haben – und damit gleichzeitig der klare Favorit für die untere Preisklasse! Vor ein paar Wochen hatte ich die Gelegenheit, eine etwas teurere Rute aus dem Hause Daiwa zu testen, die am Wasser auch nicht besser war …

Dega Lars Hansen Seatrout (Mittelklasse)

Die Dega Lars Hansen Seatrout ist im Handel schon um die 80 Euro zu haben, was sicher auch an dem Nachfolgemodell liegt, das seit einigen Monaten als dreiteilige Variante auf dem Markt ist. Ich bin da eher Purist und habe mich für das ältere Modell mit dem klassischen Korkgriff entschieden. Wer die Meerforellenfischerei etwas intensiver betreibt und etwas detailliertere Ansprüche an seine Ausrüstung stellt, sollte sich die Lars Hansen Seatrot einmal genauer anschauen und vor allem ein paar Würfe damit am Wasser machen! Die Lars Hansen Seatrout ist auf dem Papier 3,15m lang und hat ein Wurfgewicht von 20-45g. Die Verarbeitung ist ganz klar Oberklasse, von der Bindung bis zur Auswahl der Komponenten, da ist nichts aus Plastik, weder Zierringe noch Rollenhalter und auch nicht das Gewinde des Rollenhalters, kein Plastik, alles Metall – und wirklich sehr, sehr angenehm anzusehen und hochwertig wirkend.

Alles, was die Top-Daiwa kann, kann die Lars Hansen auch, aber in jedem Teilbereich noch ein bisschen besser. Sie wirft weiter, lädt sich noch besser auf und ist insgesamt beim Drill optimal, besonders bei etwas größeren Fischen merkt man die extrem schnelle Reaktion auf veränderten, nachlassenden oder zunehmenden Zug an der Schnur, Kopfschläge, Sprünge etc. Für mich war das in den letzten zwei Jahren der bevorzugte Blank beim Drill, obwohl es Ruten gibt, die noch weiter werfen, aber mir beim Drill einfach zu steif sind. Für mich hat der Blank von Lars Hansen genau die richtige Aktion, die ich von einer Meerforellenrute erwarte.

Northtackle Custom Rod Mefospin (Rute der Spitzenklasse)

Jetzt reden wir von Handarbeit: Die Northtackle Mefospin kommt eigentlich etwas schlicht daher, alles schwarz, nur ganz dezente Zierbindungen, schwarze Ringe, schwarze Zierringe. Natürlich kann man bei Northtackle auch jede andere Farbe für Zierringe und Wicklungen bestellen, bei handgemachten Ruten direkt vom Rutenbauer hat man ja schließlich die freie Wahl was Optik & Komponenten angeht, ich habe dort auch schon Varianten in Pink gesehen.

Schaut man sich die Northtackle Mefospin genauer an, fällt sofort das Griffende in Carbonoptik auf, das es im wahrsten Sinne des Wortes „in sich“ hat. Dort befindet sich eine abschraubbare Endkappe mit vier innenliegenden Messinggewichten auf einem Innengewinde. Damit lässt sich diese Rute mit nahezu jeder Rolle optimal ausbalancieren, ein entspanntes Fischen über viele Stunden ist so möglich. Der Rest ist schnell erklärt:

Die Northtackle Mefospin ist 10,6ft, also ca. 3,20m lang und hat ein Wurfgewicht von 12-42g. Am Wasser fiel mir sofort auf, dass die Northtackle weiter wirft als meine Lars Hansen, die ich als Standard fische, und das nicht nur ein wenig. Die Sensibilität des Blanks ist hervorragend, sowohl beim Spinnen als auch beim Drill, ich glaube, besser geht es nicht. Zusammenfassend, ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen, ist die Northtackle mit Sicherheit eine der mit Abstand besten Ruten, die ich in den letzten Jahren gefischt habe.

Handarbeit hat natürlich ihren Preis, auch darüber muss man reden. Die Northtackle Mefospin kostet locker das Dreifache einer handelsüblichen Meerforellenrute, aber wer engagiert, gerne und oft am Wasser ist, wird den Leistungsunterschied nicht mehr missen wollen. Und da das alles nur meine subjektive Wahrnehmung der Testkandidaten beschreibt, kommen wir nun zu den Fakten.

Meerforellenrute im Einsatz

Leistung lässt sich messen!

Und ja, das gilt auch für Zielfischruten. Ich kenne kaum jemanden, der am Wasser Entfernungen auch nur halbwegs richtig einschätzen kann. Wenn ich dann immer wieder irgendwo lese, dass manche Angler 100 Meter weit geworfen haben wollen, haben sie wohl vergessen, die 7 Windstärken im Rücken zu erwähnen? Und über Wasser, ohne jeglichen optischen Anhaltspunkt, sieht es mit einer relativ genauen Schätzung schon wieder ganz anders aus!

Ich bin da etwas im Vorteil, denn meine Augenlinse hat sich über Jahre fast unauslöschlich auf eine Entfernung von 70m fokussiert. Ich habe viele Jahre den olympischen Bogen bis auf Landesebene geschossen, bei der FITA im Freien beträgt die Entfernung zur Scheibe genau diese 70m. Aber auch dabei sollte es nicht bleiben, also habe ich einfach die Wurfweiten der Testkandidaten genau nachgemessen.

Ich habe alle drei Ruten mit der gleichen Rolle, der gleichen Schnur und dem gleichen Köder (30g ohne Haken) auf einem Feld hinter dem Haus bei fast Windstille geworfen und anschließend die Weiten mit dem Maßband gemessen und notiert. Ich habe mit jeder Rute 4 Würfe gemacht und den jeweils besten hier notiert.

Hier die Ergebnisse:

  • Daiwa: 69m
  • Lars Hansen: 76m
  • Northtackle: 82m

Fazit

Jeder engagierte Meerforellenangler weiß, dass das Tackle nur bedingt ausschlaggebend für den Erfolg am Wasser ist. Andererseits können 5-10m mehr oder weniger Wurfweite an manchen Stellen den gewünschten Erfolg ausmachen – oder eben auch nicht! Gleiches gilt für den Drill. Wer unnötig viele Fische beim Drill verlieren will, soll das tun, aber bitte auch nicht jammern, wenn er stur mit einer einfach zu harten Rute am Meer fischt. Dass man schon sehr preiswerte, aber durchaus brauchbare Meerforellenruten bekommen kann, sollte dieser Artikel vermitteln, und auch, dass derjenige, der etwas höhere Ansprüche hat, dafür auch deutlich „mehr“ bekommen kann. Und da ich sowieso die Wurfweiten getestet habe, habe ich gleich noch eine 55er Spule gegen eine 40er Spule getestet. Der Unterschied macht im Schnitt wieder 5-6 Meter aus. Die oberen Werte stammen von der 55er Spule. Dies nur für diejenigen, die immer noch die 3000er Spule bevorzugen, wahrscheinlich aus Gewichtsgründen.