Der Europäische Wels oder Flusswels (Silurus glanis) ist der größte reine Süßwasserfisch Europas und neben dem Aristoteleswels (Silurus aristotelis) die einzige europäische Art aus der Familie der Echten Welse (Siluridae). Regional wird er auch als Waller oder Schaidfisch sowie mit zahlreichen Abwandlungen dieser Namen bezeichnet. Welse sind vorwiegend nacht- und dämmerungsaktive Raubfische, die sich von lebenden und toten Fischen, aber auch von Wirbellosen und gelegentlich von kleinen Wasservögeln und Säugetieren ernähren. Ihre Aktivität ist im Jahresverlauf stark von der Temperatur und der Verfügbarkeit von Beutetieren abhängig und erreicht im Frühjahr nach der Winterruhe sowie im Spätherbst nach dem Ablaichen ein Maximum.
Das Verbreitungsgebiet des Welses erstreckt sich von Mittel- und Osteuropa bis Zentralasien. Dabei werden bevorzugt große Flüsse und Seen mit schlammigem Grund besiedelt, Welse kommen aber auch häufig in Binnenmeeren mit geringem Salzgehalt, wie dem Kaspischen Meer, sowie in Brackwasserbereichen der Ostsee und des Schwarzen Meers vor. Die Art wird seit der Antike befischt und ist heute vor allem in Osteuropa von wirtschaftlicher Bedeutung, wo sie zunehmend auch in Aquakultur gezogen wird. In Mitteleuropa sind Welse dagegen vorwiegend als Sportfische bei Anglern beliebt und wurden deshalb auch in verschiedenen Gebieten, in denen sie ursprünglich nicht vorkamen, angesiedelt. Die Bestände sind heute meist stabil, teilweise aber von Besatz durch den Menschen abhängig.
Merkmale
Welse sind stämmige Fische mit langgestrecktem Körper, großem, breitem Kopf und glatter, schleimiger und vollständig schuppenloser Haut. Der Rumpf ist im vorderen Bereich kräftig gebaut und im Querschnitt rund, hinter dem After seitlich abgeflacht und schlanker. Die Zahl der Rippen liegt bei 72 bis 74. Eine vollständig entwickelte Seitenlinie verläuft entlang der Flanken und weist 70 bis 75 Kanälchen auf. Der Kopf macht mehr als 20 Prozent der Gesamtlänge aus und ist breit und abgeflacht mit kleinen Augen, die seitlich hinter einem Paar langer, knorpelverstärkter und hoch beweglicher Barteln am Oberkiefer sitzen. Zwei Paare kürzerer, unbeweglicher Barteln sitzen am Kinn. Die vorderen Nasenöffnungen treten deutlich hervor und liegen auf Höhe der Oberkieferbarteln zwischen diesen. Die hinteren Nasenöffnungen liegen dicht dahinter und sind gut entwickelt, was auf einen guten Geruchssinn hinweist. Das Maul ist groß, breit und oberständig mit, vor allem bei älteren Tieren, vorragendem Unterkiefer und fleischigen Lippen. Die Zähne sind kleine, flache und nach hinten gerichtete Bürstenzähne. Sie sitzen im Unterkiefer in vier oder fünf Reihen, die in der Mitte durch die Kiefernaht geteilt sind. Zähne sitzen auch am Gaumen- und Pflugscharbein sowie an den Kiemenbögen, wo sie besonders klein sind. Die Kiemenöffnung ist groß und tief geschlitzt, ihr häutiger Rand bedeckt die Basis der Brustflossen. Die Kiemen selbst haben 15 bis 16 Branchiostegalstrahlen, die Kiemenreuse zwölf Dornen.
Die Rückenflosse ist sehr klein und sitzt am Ende des ersten Körperdrittels. Sie hat einen Hartstrahl und drei bis vier Weichstrahlen. Eine Fettflosse ist nicht vorhanden. Die Brustflossen sind groß und kräftig und reichen bis zum Ansatz der Bauchflossen. Sie haben einen Hartstrahl, dessen Vorderseite glatt und dessen hinterer Rand gezähnt ist, sowie 14 bis 17 Weichstrahlen. Die deutlich kleineren Bauchflossen haben 11 bis 13 Weichstrahlen. Die Afterflosse verläuft langgestreckt am stark verlängerten Schwanzstiel und hat 84 bis 92 kräftige Weichstrahlen. Sie reicht dicht an die relativ kleine, gerundete und am Ende fast gerade abgeschnitten wirkende, 17- bis 19-strahlige Schwanzflosse heran, die beiden Flossen sind aber nicht verbunden.
Die Färbung ist relativ variabel und meist dem Lebensraum angepasst, so dass ruhende Welse gut getarnt sind. Die Körperoberseite ist meist dunkel mit grauer Grundfärbung, die von schwärzlich oder blauschwarz über dunkelbraun bis dunkelolivgrün variieren kann. Die Seiten sind heller und weisen gelegentlich einen violetten Schimmer auf. Über der Grundfärbung liegt meist eine wolkige bis tüpfelartige Marmorierung. Der Kopf ist dunkler gefärbt und einfarbig glänzend, der Lippensaum kann heller sein. Der Bauch ist hell bis weißlich, manchmal leicht rötlich und kann einfarbig oder scheckig sein. Die paarigen Flossen sind meist dunkel gelbbraun, braunrot bis bräunlich, die unpaaren Flossen bläulich schimmernd und violett angelaufen. Neben den normal gefärbten Tieren kommen auch einfarbig schwarzblaue oder albinotische Individuen vor.
Größe und Alter
Welse erreichen, abhängig von ihrem Lebensraum, meist Körperlängen von einem bis eineinhalb Metern und dabei ein Gewicht von etwa 10 bis 50 Kilogramm. Da die Tiere zeitlebens weiterwachsen, können sie allerdings auch deutlich größer und schwerer werden. Die Angaben über die Maximalmaße unterscheiden sich dabei bei verschiedenen Autoren beträchtlich. Häufig wird heute eine Länge von bis zu drei Metern und ein Gewicht von dann 150 Kilogramm angegeben. Aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert liegen allerdings Berichte über deutlich größere Tiere vor. So wurde von bis zu fünf Meter langen und über 300 Kilogramm schweren Welsen im Dnepr in der Ukraine berichtet und ein ohne Eingeweide 375 Kilogramm schweres Tier soll 1731 in der Oder gefangen worden sein. Diese Maße werden von einigen Autoren bis heute übernommen und häufig mit der Anmerkung versehen, dass Tiere dieser Größe heute nicht mehr vorkommen. Die verlässlich dokumentierten größten Fänge mit der Angel waren ein 144 Kilogramm schweres und 2,78 Meter langes Tier aus dem Po und ein 148 Kilogramm schweres Exemplar, das in Bulgarien gefangen wurde. Der Wels ist damit der größte ständig im Süßwasser lebende Fisch Europas. Er wird nur von den Stören (Acipenser) übertroffen, die allerdings anadrome Wanderfische sind, die nur zum Laichen in Flüsse eindringen.
Das Alter kann anhand der Zuwachsringe der Wirbel oder Brustflossenstrahlen bestimmt werden. Das höchste dokumentierte Alter liegt bei 60 Jahren in Gefangenschaft und bei 80 Jahren für ein wildlebendes Tier. Schätzungen für das mögliche Höchstalter belaufen sich auf etwa 100 Jahre.
Vorkommen
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Welses erstreckt sich von der Elbe und dem Doubs in Ostfrankreich über Südschweden, Ost- und Südosteuropa (mit Ausnahme der Mittelmeerküste) und der Türkei bis zum Aralbecken und Afghanistan. Im Flusssystem des Rheins kommt er natürlich bis etwa zur Mündung des Ills bei Strassburg vor. Subfossile Funde weisen allerdings darauf hin, dass die Art ehemals auch weiter nördlich im Rhein und seinen Nebenflüssen bis zur Mündung in die Nordsee vorkam. Ein mögliches Überbleibsel dieser früheren Verbreitung stellt die Population im Haarlemmermeer in den Niederlanden dar. Neben stehenden und fließenden Süßgewässern des Inlands findet er sich auch im Kaspischen Meer sowie in Brackwasserbereichen der Ostsee und des Schwarzen Meers.
Vom Menschen wurde die Art als Aquakultur- und Sportfisch auch außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets ausgesetzt, so in Spanien, Italien und Kasachstan. In den Beneluxstaaten und in Frankreich wurde sie erfolgreich wiederangesiedelt, auch in Gebieten, in denen sie archäologisch nicht nachweisbar ist, so in Frankreich ab 1857 im Gebiet der Rhone. Im Süden Großbritanniens wurden Welse ab 1880 in Seen ausgesetzt, die Besiedlung größerer Flüssen gelang allerdings kaum, wahrscheinlich auf Grund klimatischer Bedingungen. In Südfinnland und möglicherweise auch in Dänemark wurden die ausgewilderten Bestände wieder ausgerottet. In einigen Regionen, in denen der Wels ursprünglich nicht vorkam, wird er heute als Schädling angesehen, da er die einheimischen Fischbestände bedroht.
Lebensweise
Welse sind lichtscheu und überwiegend nachtaktiv, wobei die Aktivitätsmuster sich allerdings abhängig von der Jahreszeit deutlich unterscheiden können. Besonders bei fallendem Luftdruck, der mit Hilfe der Schwimmblase wahrgenommen wird, sind sie auch tagsüber aktiv, sonst ruhen die Tiere bis zum Einbruch der Dunkelheit meist am Grund zwischen Wasserpflanzen, unter überhängenden Ufern oder Baumwurzeln. Ab Wassertemperaturen von sieben bis vier Grad Celsius stellen die Tiere die Nahrungsaufnahme ein. Sie überwintern in Flüssen in Uferspalten oder Gruben in Ufernähe, in Seen im unteren Drittel der Wassersäule oder auf schlammigem Grund liegend.
Zwischen Mai 2009 und Februar 2011 wurden in dem französischen Fluss Rhône Welse bei atypischen Verhaltensweisen beobachtet: die normalerweise einzelgängerischen Tiere wurden in Gruppen angetroffen, welche bis zu 44 groß gewachsene Exemplare umfassten (größte beobachtete Länge: 2,10 Meter). Einerseits handelte es sich nicht um eine Schwarmbildung, da die Schwimmbewegungen unkoordiniert waren und die Tiere teilweise zusammenstießen und andererseits konnte ausgeschlossen werden, dass es den Welsen um Fortpflanzung, die Suche nach Futter oder den Schutz vor Angreifern gegangen sein könnte. Diese Gruppen erreichten eine Biomassedichte von bis zu 40 Kilogramm pro Quadratmeter Flussgrund.
Fressverhalten
Welse sind opportunistische Raubfische, die als Beute nahezu alles annehmen, was von der Größe her bewältigt werden kann. Den größten Anteil machen dabei meist diejenigen Fische aus, die in dem entsprechenden Gewässer dominieren wie zum Beispiel Schleien, Rotaugen oder Karpfen. Neben lebenden und toten Fischen werden auch Amphibien, Krustentiere, Insekten, Würmer und andere Wirbellose, junge Wasservögel und auch Tauben, sowie gelegentlich Pflanzen und Säugetiere, vor allem Nager, gefressen. Im Vergleich zu anderen großen Süßwasserraubfischen wie Hecht oder Zander fressen große Welse Beutetiere sehr unterschiedlicher Größe, was zu einer effektiveren Nutzung des Nahrungsangebots führt. Aus diesem Grund haben Welse einen geringeren Einfluss auf den Bestand wirtschaftlich bedeutender Fischarten.
Die Beute wird vorwiegend nachts gefangen, wobei die Augen wahrscheinlich keine Rolle spielen. Welse verfügen über einen hervorragenden Geruchs- und Geschmackssinn, der Rezeptoren für süß, sauer, bitter und salzig umfasst, die sich im Maul, an den Lippen, auf den Barteln, aber auch an den Flossen, sowie in der Haut des Kopfes und des Vorderkörpers befinden. Das Gehör der Tiere ist extrem empfindlich und besonders auf Geräusche von über der Wasseroberfläche spezialisiert, was durch eine Verbindung der Schwimmblase mit den Hörorganen über den aus den Rippenknochen hervorgegangenen Weberschen Apparat erreicht wird. Daneben besitzen Welse Elektrorezeptoren und einen ausgeprägten Tastsinn, der auf den Barteln, dem Unterkiefer und dem Seitenlinienorgan beruht. Beutefische werden meist verfolgt und von hinten erfasst, wobei chemische und hydrodynamische Signale im Nachstrom fliehender Fische zur Orientierung genutzt werden.
Die Nahrungsaufnahme ist stark von der Wassertemperatur abhängig. Während von November bis März fast keine Nahrung aufgenommen wird, beginnt mit der höheren Verfügbarkeit von Beutetieren im Frühjahr eine Phase intensiverer Nahrungsaufnahme. Im Juni und Juli wandern viele Fische in tiefere Gewässer, so dass die Welse weniger Beute machen. Nach der Laichzeit im August folgt ein weiterer Höhepunkt der Nahrungsaufnahme.
Welsfang
Im Donauraum werden Welse mindestens seit dem zweiten Jahrhundert mit verschiedenen Methoden befischt. Hierzu wurden meist Berührungsnetze eingesetzt, die aus einem Grundteil und zwei mit einer Rute verbundenen Flügeln bestehen und bei Kontakt mit dem Fisch aus dem Wasser gehoben werden konnten. Alternativ wurde ein hohler Baumstamm als möglicher Unterschlupf versenkt und regelmäßig aus dem Wasser gehoben und kontrolliert. Daneben waren Unterwasserzäune gebräuchlich, bei denen die Welse in Durchlässe getrieben wurden, wo sie mit einer Reuse oder von einem mit Stecheisen ausgerüsteten Fischer gefangen wurden. Auch der Fang mit Leine und Haken, häufig mit Rindfleisch als Köder, sowie die Hamenfischerei waren gebräuchlich, wobei bei letzterer gezielt die Unterschlupfmöglichkeiten in Ufernähe abgesucht wurden. Der moderne Welsfang setzt meist Reusen oder Grundangelruten ein.
Schonzeiten: 01.05.- 30.06., Mindestmaß: 60 cm